Musikstil
Die Musik der Ruphay einer festen Musik-Richtung zuzuordnen erscheint fast unmöglich. Bolivianische Folklore, Indianer-Musik, Andenmusik und Weltmusik – dazwischen bewegt sich die Musik der Ruphay. Zum einen ist sie unverfälschte, ursprüngliche, autochthone Musik der Aymara- und Quechua- Indianer in den bolivianischen Anden und zum anderen eigene, zeitgenössische Musik mit größerer Nähe zur Barock- als zur Rockmusik.
Eines ist die Musik der Ruphay mit Sicherheit nicht: Unterhaltungsmusik, auch wenn man sich gut über sie unterhalten kann, berührt sein kann und nachdenklich werden kann – teilweise Musik zum ruhig werden und träumen, teilweise aber auch Musik zum ausgelassenen mitsingen und tanzen.
Musik ist für die Ruphay:
Die Kunst und die Weisheit des Zusammenklingens – die Einheit von Musik, Tanz und Gesang.
Musik der Aymara- und Quechua-Indianer
Mario Gutiérrez schreibt im Klappentext der Schallplatte „RUPHAY & WAYRA KUNA – Wiñay Marka – Ewiges Volk“):
In der Welt der Anden verwenden wir Aymara- und Quechua-Indianer schon seit unvordenklichen Zeiten Töne und Klänge, um uns Erde, Sonne, Mond und Sternen, um uns der ganzen Natur immer von neuem zu nähern, uns mit all ihren Erscheinungen auszutauschen und in einer großen Einheit mit ihnen zu verschmelzen.
Niemals stehen diese Klänge als bloße Musik frei im Raum: Sie sind kein Zufall, auch keine individuellen Erfindungen und einsamen Tröstungen. Immer sind es Klänge, die in der Natur leben: Ihr lauschen wir sie ab, fügen aus ihnen unsere Melodien, weben unsere Lieder und formen so unsere „kosmische“ Musik. Für das Spielen dieser Musik schenkt uns die Natur verschiedene Sorten Schilfrohr, Bambus, Holz und Fell, aus denen wir unsere Instrumente bauen.
Das Lauschen auf die Klänge, die gewaltigen Stimmen der Natur, das Zusammenfügen zu Melodien und Liedern, das Bauen der Instrumente, die Herstellung bestimmter Farben und Kleidung und die Verschmelzung all dieser Elemente zusammen mit Tanz und Bewegung während unserer verschiedenen Feste und Riten, das alles bildet für uns eine untrennbare Einheit, in der das Wesen des andinen Geistes seinen höchsten Ausdruck findet.
Alles geschieht mit größter Ruhe, mit Bedacht und Sorgfalt. Oft spielen wir ein und dieselbe Melodie immer und immer wieder, solange, bis wir alle unser Einssein mit dem Kosmos deutlich verspüren. Unsere Lieder sind kurz, weil wir glauben, dass wir mit Worten zwar lügen können, mit unserer Musik aber immer die Wahrheit sagen.
Für uns ist die Zeit nicht Geld, sie ist unser. Unsere Zeit, die materielle wie die spirituelle, entfernt sich nie weit vom Rhythmus der ewigen Zeit, die im Universum lebt. Aus ihr wird die kosmische Ordnung geboren, die unser Leben lenkt. Darum haben wir verstanden, dass unsere Mutter Erde mit der Sonne, dem Mond und den Sternen unter kosmischen Gesetzen zusammenwirkt. Wir haben diese natürlichen Gesetze akzeptiert, und unser Leben richtet sich nach ihnen. So haben wir den Ayllu, die Dorfgemeinschaft geschaffen: eine Vereinigung von Familien, die mit der Erde im Einklang leben und in denen alle zu einer Gemeinschaft gehören, wo es weder Polizisten noch Ad- Advokaten gibt, wo die Arbeit keine Pflicht, sondern ein Vergnügen ist, da wir sie in aller Ruhe gemeinsam verrichten. Im Ayllu waren und sind wir uns bewusst, dass die Erde nicht uns gehört: wir alle gehören der Erde.
Ein Abbild dieser Gemeinschaft ist lebendig und gegenwärtig in der Siku, einer Panflöte, die – aus zwei Teilinstrumenten bestehend – das harmonische Zusammenspiel von mindestens zwei Personen erfordert. Unsere Musik ist ein Abbild der Harmonie, die in uns und allem, was uns umgibt, lebendig ist; gleichzeitig hilft sie uns Menschen, diese Harmonie zu bewahren.
Vor nun beinahe 500 Jahren hat man uns „entdeckt“. Wegen unserer Hautfarbe bezweifelte man, dass wir eine Seele hätten – ein trefflicher Vorwand, uns als Sklaven zu behandeln. Unsere Liebe, unsere Ehrfurcht vor der Erde und unsere Geistigkeit hat man als Aberglauben abgetan. Aus unserer Musik und unseren Instrumenten hat man geistlose folkloristische Formen entwickelt.
Heute aber, da materielle Gesinnung, hohe Geschwindigkeiten und die Verfallsdaten aller Dinge den modernen Menschen in ihren Bann schlagen, grüßen wir Indios in den Anden noch immer die Sonne und den Mond, lieben wir immer noch die Erde und widmen ihr unsere Musik.
Heute wie vorzeiten glauben wir unverändert:
Ein Volk, das nicht singt, ein Volk, das nicht tanzt, ist ein totes Volk.